Unerwarteter Besuch
Akubi wachte auf und traute seinen Augen nicht. Er blickte in das freundliche Gesicht seines großen Bruders Rudolph.
„Rudi, du bist gekommen!“
„Ja, mein Kleiner, ich wollte mal sehen, wie stark und schnell du schon geworden bist!“ Rudolph lächelte seinen kleinen Bruder liebevoll an.
Rudolph war groß, hatte ein wunderschön geformtes, riesiges Geweih und eine weiße Mähne unter dem Hals.
„Komm, lass uns eine Runde über das Eis laufen. Dann zeigst du mir, wie schnell du rennen kannst.“
Akubi konnte sein Glück kaum fassen: Er trabte neben seinem Bruder durch die verschneite Landschaft und erzählte ihm von seinem aufregenden Traum.
„Stimmt es, dass ihr mit dem Schlitten öfter abstürzt?“, fragte Akubi seinen Bruder.
„Abstürze und Notlandungen gehören zu unserem Alltag, Akubi“, erklärte Rudi, „Nicht immer ist es die Schuld der Rentiere. Wenn es stürmt und schneit, ist es schwer für den Weihnachtsmann, Schlitten und Rentiere in der Luft zu halten. Und manchmal müssen wir in letzter Minute Vögeln oder Flugzeugen ausweichen, dann kommt der Schlitten ins Schleudern. Aber wie du in deinem Traum gesehen hast, haben wir Erfahrung mit Abstürzen und meistens fliegen wir schnell weiter.“
Akubi blickte seinen Bruder bewundernd an.
„So, und nun machen wir ein Wettrennen, Akubi. Wer als Erster am Fluss ist, hat gewonnen!“
„Oh ja, zum Fluss wollte ich mit dir sowieso: Da wohnt nämlich mein Freund Castor, der Biber. Und der möchte dich unbedingt kennenlernen.“
„Ein Biber“, staunte Rudolph, „das sind geniale Baumeister und clevere Burschen. Den schau ich mir gerne mal an. Also, auf die Plätze, fertig, los!“
Akubi und Rudi preschten durch den Schnee, vorbei an dick verschneiten Tannen, zugefrorenen Seen und Bächen. Das kleine Rentier bemühte sich, mit Rudolph Schritt zu halten, doch nach ein paar Minuten ging ihm die Puste aus und er wurde langsamer.
„Rudi, ich kann nicht mehr“, schnaufte er.
„Alles klar, Kleiner, du warst ja auch schnell wie der Blitz. Kompliment, Brüderchen, ich bin beeindruckt!“
Akubi strahlte über das ganze Rentiergesicht und wagte zu fragen:
„Meinst du, ich kann euch helfen, den Schlitten vom Weihnachtsmann zu ziehen, wenn ich groß bin?“
„Wenn du weiterhin so fleißig trainierst, auf jeden Fall. Wir brauchen immer Rentiere als Ersatz, falls jemand von uns krank wird. Und ich wäre stolz, meinen kleinen Bruder dabei zu haben.“
Akubi lächelte glückselig und geriet ins Träumen.
„Hey Langschläfer, ist das der lang angekündigte Besuch? Der Star aus dem Weihnachtsteam?“
Castor schaute aus einem großen Loch hervor, das die Biber ins Eis des Flusses gebissen hatten, und lachte die beiden Rentiere freundlich an.
„Ja, das ist Rudi.“ Akubi errötete vor Stolz.
„Und mit wem habe ich die Ehre?“, fragte Rudolph den Biber.
„Castor mein Name, Biber und Baumeister.“
Akubi hoffte, dass Castor jetzt nicht anfing, von seinen Bauwerken zu erzählen, wie er es sonst so gerne tat. Doch diesmal schien er sich zu beherrschen.
„Cool, dass du gekommen bist. Akubi spricht seit Wochen von nix anderem. Und ich habe auch schon gewartet, damit ich dir endlich ein paar Fragen stellen kann“, sagte der Biber mit einem Augenzwinkern.
„Na dann schieß mal los, Castor!“
Rudi blickte ihn erwartungsvoll an.
„Wieso können Santas Rentiere eigentlich fliegen? Akubi und die anderen Karibus hier können nicht fliegen!“
„Das, lieber Castor, ist das Weihnachtsgeheimnis, das nur der Weihnachtsmann und seine Rentiere kennen. Ich kann es dir leider nicht verraten!“
Castor sah enttäuscht aus.
„Und wie schafft ihr es, an einem einzigen Tag um die ganze Welt zu fliegen und alle Kinder zu beschenken?“
„Das ist die Frage, die mir auch die meisten Kinder stellen“, bemerkte Rudolph, „Wir sind eben blitzschnell, schneller als der Wind.“
„Wie alt ist der Weihnachtsmann und wo wohnt er?“
Castor schien die Fragen vorbereitet zu haben. Akubi war beeindruckt.
„Wie alt der Weihnachtsmann genau ist, weiß ich nicht. Fest steht: Er hat mehr als 100 Jahre auf dem Buckel. In den Wintermonaten lebt er am Nordpol. Dort trainieren wir das Schlittenfahren und bereiten uns auf die Weihnachtsnacht vor. Im Sommer verschwindet der Weihnachtsmann mit seiner Frau. Ich glaube, sie fahren irgendwo hin, wo es warm und sonnig ist.“
Und so ging es weiter: Castor fragte, Rudi antwortete und Akubi staunte.
Als es langsam dämmerte, musste Rudolph aufbrechen, um zum Weihnachtsmann zurückzukehren. Akubi fiel der Abschied schwer, und auch Castor sah ein bisschen traurig aus.
„Kopf hoch, Kleiner, vielleicht sehen wir uns schneller wieder, als du dir vorstellen kannst. Und denk dran: Immer schön trainieren!“
Rudolph hob die Hufe zum Gruß und trabte davon.